Urs Graf

Geb. 1485 in Solothurn, gest. 1527 oder 1528

Als Sohn eines Goldschmiedes erlernte auch er das Goldschmiedekunst; berühmt aber wurde er als Zeichner. Um 1510 hat er seinen eigenen, typischen Stil ausgebildet. Von allen Landsknechtmalern ist er derjenige mit der größten einschlägigen Erfahrung, denn er hat an mehreren Feldzügen (1512 Oberitalien, 1513 Burgund, 1515 Lombardei, 1522 Mailand und Bicocca) teilgenommen. Überhaupt war er ein abenteuerlustiger, wilder und gewalttätiger Geselle, der des Öfteren wegen blutiger Raufhändel mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Bekannt ist die Begebenheit, daß die 1523 in Basel versammelten Schützen den in Haft gesetzten Künstler herausbaten, weil ohne ihn ein Fest nicht denkbar war, und daß sie ihn im Jubel auf den Schultern aus dem Gefängnis heraustrugen.

Seinem verwegenen Temperament entsprechend, geht er sowohl im Inhalt als auch in der Gestaltungsweise über seinen Landsmann N. M. Deutsch hinaus.

Durch rasche Schraffuren werden starke Hell/Dunkel-Kontraste erzeugt, insbesondere im Frühwerk werden Figuren durch wie im Rausch hingefetzte Linien mehr angedeutet als ausgeformt, jeder Bewegung, jeder Pose wird der denkbar spannungsreichste Akzent abgewonnen, durchgängig ist eine außergewöhnlich expressive Dynamik.

Auch inhaltlich ist bei Graf alles zum Extrem gesteigert. Während beispielsweise die Vanitasmotivik bei Deutsch traditionellen Mustern folgt, hat Graf sich eine besonders makabre Szenerie ausgedacht. Am linken Bildrand baumelt ein Gehenkter am dürren Aste, dem bereits ein Vogel die Augen aushackt, während eine junge hochschwangere Frau ungerührt unter dem Ast hindurchgeht und den Betrachter freundlich-gelangweilt anblickt, so als wollte Graf den billigen Trost: das Leben geht weiter in besonders zynischer Weise zum Ausdruck bringen.

Auch Sexuelles wird bei Graf in ungewöhnlich expliziter Weise angesprochen. Eine offensichtlich mit ihrem Liebeslohn unzufriedene Hure zieht mahnend einen Reisläufer am Hutbändel, während dieser mißmutig auf sein in einer Schale liegendes Schäflein deutet. Ungewöhnlich ist, daß ein solches Thema ohne alle mythologische Verbrämung in Szene gesetzt wurde. Noch ein Hinweis: der Kelch, den die Prostituierte in der linken Hand hält, ist in der gesamten Landsknechtgraphik  ein Symbol der Verführbarkeit.

Während sich die deutschen Künstler nicht um die schweizerische Konkurrenz scherten, wird von den Eidgenossen immer wieder die Rivalität mit den Landsknechten hervorgehoben. Insbesondere Graf hat immer wieder die deutschen Landsknechte als tumbe, lasterhafte und bramarbasiernde (aufschneiderische, prahlende) Kriegsgurgeln (wilder ungesitteter ruchloser Krieger) karikiert.

Ein mit drastisch bezeichneten Proportionen einherschreitender Landsknecht hat einen karikaturhaft verdickten und mit einer grotesk vergrößerten Parierstange ausgestatteten Bidenhänder geschultert, auf dem seine Devise steht: All mein Geld verspielt. Der deutsche Landsknecht war in der Schweiz allgemein recht verhaßt. Graf selbst wurde zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, weil er einen Basler Bürger als Landsknecht beschimpft hatte.

Bei dieser Gelegenheit: Häufig werden von beiden eidgenössischen Künstlern der Kontrast zwischen deutschen und schweizerischen Kriegsknechten in idealtypischer Ikonographie herausgestellt:

Deutscher Landsknecht Schweizer Reisläufer
Barett ohne Feder oder mit nach vorne weisender Feder, bzw. nur Bundhaube reich mit nach hinten weisenden Feder bestücktes Barett
alt jung
Knebelbart (langer, herabhängender Schnurrbart) bartlos
schräges Andreaskreuz als Schlitzform der Kleidung senkrechtes Schweizerkreuz als Schlitzform
kurze Hosen Kniehosen
Bidenhänder als Hauptwaffe Langspieß als Hauptwaffe
Katzbalger als Kurzwehr Langschwert als Kurzwehr

Bilder:

Junger Schweizer im Gemach der Buhlerin

Junger Schweizer im Gemach der Buhlerin 

Soldatenversammlung

Soldatenversammlung

Mein Gelt verspilt

Mein Gelt verspilt

Tod mit Dirne, Landsknecht und Eidgenosse

Tod mit Dirne, Landsknecht und Eidgenosse

Schreitender Bannerträger

Schreitender Bannerträger